„Piranha schmeckt gut, hat aber viele Gräten.“


Menschenrechtsaktivistin Christina Haverkamp besuchte die Mädchenrealschule Niedermünster


In diesen Tagen wird viel geschrieben und gesprochen zu den Aktivisten rund ums Klima. Auch als im Sommer der Regenwald brannte, sorgte man sich sehr um die grüne Lunge unserer Erde und um das Überleben der Menschheit. Diese wird wohl noch ein paar Jahrzehnte und mehr durchhalten, ein Glück, das so manches Volk im Regenwald nicht haben wird. Eines dieser bedrohten Völker ist das Volk der Yanomami. Sie leben in Brasilien und Venezuela, in Amazonien, einem Gebiet, das zwar den Status einer Schutzzone hat, was jedoch fast völlig bedeutungslos ist, denn die Übergriffe seitens der Goldsucher und der Landbauern werden kaum geahndet. Auch die die Welt aufrüttelnden Brände des Sommers waren gezielte, sogar angkündigte Brandrodungen im Yanomami-Gebiet, die sich langfristig nicht nur auf das Erdklima, sondern kurzfristig ganz konkret als Zerstörung des Lebensraumes der in diesem Gebiet lebenden indigenen Stämme auswirken werden.
Im Dezember besuchte Christina Haverkamp, die sich seit 30 Jahren für die Yanomami einsetzt, die Mädchenrealschule Niedermünster und erzählte mit eindrucksvollen Bildern von diesem letzten noch weitgehend ursprünglich lebenden Indianervolk. „Wie wir Lippenstift und Lidschatten verwenden, so schmücken sich auch die Yanomami: Sie verwenden dazu allerdings Zierstäbchen, die sie durch Wangen, Nase oder Lippen stechen. Dass man damit nicht küssen kann, macht den Yanomami nichts, denn Küssen ist eine Erfindung der Europäer,“ plauderte Frau Haverkamp aus dem Nähkästchen. Spannend waren auch die Bräuche zu Eheschließung und –scheidung: „Die Auserwählte wird einfach geraubt und wenn es ihr nicht mehr gefällt, nimmt sie ihre Hängematte und hängt sie woanders hin. Das war es auch schon!“ Auch kulinarische Erfahrungen gab Frau Haverkamp weiter. Den gebannt lauschenden Zuhörerinnen gruselte es zwar sicherlich bei so mancher Yanomami-Köstlichkeit wie Anakondas oder Tarantel, oder deren Sitte, die Asche der Toten mit Bananenbrei vermengt zu verzehren - als Zeichen dafür, dass sie in den Lebenden weiterleben. Das Leben im Einklang mit der Natur, fern dessen, was wir als „zivilisiert“ und „modern“ erachten, erschien vielen Mädchen fast ebenso fremd und unvorstellbar. In der traditionellen Welt der Yanomami gibt es keine Gier nach „mehr“, alles wird geteilt und man kennt keine Zahlen. Diese Welt ist freilich bedroht. Mit den Goldsuchern kamen Krankheiten in den Regenwald, gegen die die Indianer keine Medizin haben. Und die brasilianische Regierung verweigert jegliche Hilfe – mit System! Ohne die Yanomami könnten die Schätze des Regenwaldes viel einfacher geplündert werden. Nachgewiesene Überfälle und brutales Auslöschen ganzer Dörfer bleiben ungeahndet. Immer wieder stößt man auf leere Dörfer und keiner weiß, wo die Bewohner geblieben sind …
Christina Haverkamp, von ihren Indianern Kohiba, harte Bohne, genannt, lebt mehrere Monate im Jahr bei den brasilianischen Yanomami und unterstützt sie bei verschiedenen Selbsthilfeprojekten, zum Beispiel beim Bau von Krankenstationen, Schulungszentren oder Schulen für die Yanomami. Geld dafür sammelt sie über den Verein Yanomami-Hilfe e.V. und über Vorträge. Die Mädchen der Realschule Niedermünster zeigten sich nach den zwei Stunden in einer abenteuerlich fremden Welt beeindruckt und überzeugt von der Notwendigkeit, einen aktiven Beitrag zu leisten– und etwa die Hälfte der anwesenden Schülerinnen könnte sich vorstellen, eines Tages in die Fußstapfen der Menschenrechtlerin zu treten. Vorerst wird es jedoch noch sicherlich die ein oder andere Aktion zugunsten der Yanomami an der Schule geben.
Edith Scharm